Hasegawa Senzan (1820-1862). Original-Tuschezeichnungen
17 Sumi- (Schwarze Tinte) und Wasserfarben-Pinselzeichnungen auf Papier im Shijo- und Nanga-Stil in einem Leporello-Album, entstanden ca. 1850. Alle Zeichnungen sind signiert und gesiegelt.
Der „Nanga“-Stil wurde zu Beginn der Edo-Zeit (um 1600) von aus China eingewanderten Mönchen der buddhistischen Huangbo-Sekte (Japanisch: Manpuku) nach Japan gebracht, welche in der Nähe von Kyoto einen Tempel errichteten. Ursprünglich, in China, stellte dieser „literarische“ Malstil eine Liebhaberei von Gelehrten und Poeten der oberen Klasse dar, welche Zeichnungen und Gedichte zu buddhistischen und konfuzianischen Grundthemen untereinander austauschten, und die Malerei als besondere Ausdrucksform dafür entwickelten. Unter dem Einfluss solcher chinesischer Lehrer entstand in Japan mit der Liberalisierung der Gesellschaft im Zuge der Edo-Periode daraus der „Nanga“-Stil als freierer und – im Unterschied zu den meisten japanischen Kunstformen – bürgerlich orientierter Malstil außerhalb des Protektorats von Fürsten. Dabei wurde der klassische Kanon verlassen und es entstanden Bilder, die in westlicher Wahrnehmung teilweise dem Expressionismus ähneln, aber viel älter sind als letzterer und aus ganz anderen Wurzeln stammen. Senzans Zeichnungen weisen eine elegante und souveräne Pinselführung auf und vermitteln gleichzeitig eine verblüffende Unmittelbarkeit.
Hasegawa Senzan (1820-1862), geboren in Edo, war ein Schüler von Watanabe Kazan (1793-1841) und von Tsubaki Chinzan (1801-1854), viel ist über ihn leider nicht bekannt. In jungen Jahren galt er als Genie. Hätte er ein längeres Leben gehabt, wäre er vermutlich ein bedeutender Künstler geworden. In der Literatur wird er kaum erwähnt, deshalb ist der „Marktwert“ seiner Arbeiten nicht hoch. Gleichwohl sind die Bilder in diesem Album von außergewöhnlicher künstlerischer Qualität. Vergleicht man seine Zeichnungen mit der europäischen Malerei der Zeit um 1850, die damals noch sehr akademisch war, und kaum eine Auflösung der Darstellung erlaubte, erscheinen sie einem wie aus der Zeit gefallen in ihrer Unmittelbarkeit, ihrem gekonnten Weglassen mit bloß angedeuteten Bildelementen und mit ihrer explosiven Emotionalität.
Referenzliteratur zu den Lehrern von Senzan: Watanabe Kazan und Tsubaki Chinzan in Laurence P. Roberts, „A Dictionary of Japanese Artists“, Weatherhill Verlag, Tokyo/New York 1976/1990.